Brakel (red). In ihren jeweiligen Ratssitzungen erhielten die Städte Brakel und Willebadessen die Urkunden für ihre erste Gemeinwohl-Bilanz. Diese öffentlich einsehbare Rückschau auf die vergangenen zwei Jahre versteht sich als Ergänzung zur finanziellen Bilanz. Sie soll den Grundstein für die sozial und ökologisch nachhaltige Weiterentwicklung beider Stadtverwaltungen legen.
Begonnen hatte der Weg vor über einem Jahr. Der Brakeler Stadtrat hatte am 11. Juli 2019, der Willebadessener Stadtrat am 26. September 2019 beschlossen, sich am LEADER-Projekt „Gemeinwohl-Region Kreis Höxter“ zu beteiligten und in interkommunaler Zusammenarbeit eine Gemeinwohl-Bilanz zu erstellen. Ab Januar 2020 wurde in sieben Workshops und interner Nacharbeit systematisch erfasst, wie beide Städte bislang im Hinblick auf zentrale Gemeinwohl-Werte wie Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Demokratie aufgestellt sind. Dabei ging es nicht um Theorie, sondern um das konkrete Verwaltungshandeln im Kontakt mit der Bevölkerung und der lokalen Wirtschaft, mit den städtischen Angestellten, mit Lieferanten, Finanzpartnern, Nachbargemeinden und dem erweiterten gesellschaftlichen Umfeld.
In Brakel überreichte LEADER-Projektreferent Christian Einsiedel gegen 18:30 Uhr die Urkunde an Bürgermeister Hermann Temme. Dieser bedankte sich ebenfalls beim gesamten Team, das unter der Leitung seines allgemeinen Vertreters Peter Frischemeier und des Wirtschaftsförderers Alexander Kleinschmidt an der Bilanz gearbeitet hatte. „Nachhaltige Veränderung ist heute notwendiger denn je. Sie kann aber nur Schritt für Schritt gelingen. Die Gemeinwohl-Bilanzierung liefert dafür einen sehr hilfreichen Orientierungsrahmen“, fasste Temme das Projekt zusammen. Brakel sei schon lange auf einem sozial-ökologischen Weg, mit Erfolgen wie dem European Energy Award oder der Auszeichnung als familienfreundliches Unternehmen. Nun habe man sich einen ganzheitlichen Blick auf das Thema verschafft. „Auch, wenn wir heute zu Recht ein wenig feiern, ist wichtig, diese Bestandsaufnahme nur als ersten Schritt zu sehen. Nun gilt es, daraus systematisch Verbesserungen abzuleiten, die unseren Beitrag zum Gemeinwohl steigern, also unseren Bürgerinnen und Bürgern ebenso zugutekommen wie unseren Mitarbeitenden und allen weiteren Gruppen, mit denen wir als Stadtverwaltung in Kontakt sind“, so Temme. Dabei solle die gute Zusammenarbeit mit Willebadessen fortgesetzt werden.
In den Ratssitzungen in Willebadessen und Brakel wurde anlässlich der Zertifizierung ein kurzes Video-Statement des österreichischen Autors und Aktivisten Christian Felber eingespielt, der die Idee zur Gemeinwohl-Bilanz gemeinsam mit Unternehmern aus Wien und Niederösterreich im Jahr 2010 entwickelt hatte. Auch Felber lobte das Engagement beider Städte sowie der Stadt Steinheim, die schon im September 2020 ihre Bilanz abgeschlossen hatte. „Das Vorbild von Brakel, Willebadessen und Steinheim, die Bilanzierung vieler Unternehmen und der Vereinigten Volksbank sowie die parallel laufende Bildungsarbeit machen den Kreis Höxter zu einer Modellregion für die Gemeinwohl-Ökonomie. Ein Beispiel, das hoffentlich viele weitere Akteurinnen und Akteure inspirieren wird, sich auf den Weg zu machen“, so Felber. Neben den inhaltlichen Ergebnissen sei auch der Pioniergeist in Brakel und Willebadessen hervorzuheben: Als erste Städte überhaupt hätten sie ihre Bilanz nach der neuen Version 2.0 des Bilanz-Standards erstellt und dabei nicht nur ihr eigenes Handeln reflektiert, sondern auch der zivilgesellschaftlichen Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung wertvolle Hinweise zur Weiterentwicklung gegeben.
Wer sich ein detailliertes Bild machen möchte, kann beide Bilanzen auf den Stadt-Webseiten einsehen: https://www.brakel.de/gemeinwohl und www.willebadessen.de/de/stadtportrait/gemeinwohl-kommune.php. Allgemeine Infos gibt es auf der LEADER-Projektseite www.gemeinwohlregion-kreis-hoexter.de.
Foto: Stadt Brakel